Dr. Erler-Kliniken: Interview mit Prof. Dr. Markus Kleemann - Chef der Viszeral- und Gefäßchirurgie

 WMP4963Zum 60-jährigen Jubiläum der Nürnberger Dr. Erler Kliniken: ein lebenswichtiges Gesundheits-Thema

Seit Juni 2021 leitet Prof. Dr. Markus Kleemann die Klinik für Viszeral- und Gefäßchirurgie an den Kliniken Dr. Erler. Die bestehende Klinik für Allgemein- und Viszeralchirurgie wurde um das Fachgebiet der Gefäßchirurgie erweitert. Prof. Dr. Markus Kleemann, der vorher 18 Jahre lang am Universitätsklinikum Schleswig-Holstein, Campus Lübeck, tätig war ist in Fürth geboren, studierte in Erlangen, besuchte während seiner Studien- und Ausbildungszeit mehrere medizinische Zentren in Deutschland, in den USA und in Österreich. In der Gefäßchirurgie hat er neben dem Deutschen Facharztexamen auch die Zusatzbezeichnung „Endovaskulärer Chirurg“ und das europäische Facharztexamen zum „Fellow of  the European Board of Surgery“ erworben. Neben minimal-invasiven Operation in der Bauchchirurgie– beispielsweise bei fortgeschrittenen Tumoren im gesamten Bauchraum, die chirurgische Endoskopie und Koloproktologie - gehören unter anderem zum Leistungsspektrum von Chefarzt Prof. Dr. Kleemann und seinem Team auch offene (Bypässe) und minimal-invasive, sog. endovaskuläre gefäßchirurgische Eingriffe bei Durchblutungsstörungen der Beine, der sog. Schaufenstererkrankung.

Der Journalist Leo Loy sprach mit Professor Dr. Kleemann über die Entwicklung der „Volkskrankheit Schaufenstererkrankung“ und fragte ihn:

Welche Krankheiten behandeln Sie als Gefäßchirurg ?

Bei Gefäßerkrankungen muss prinzipiell zwischen den Arterien, also den Blutgefäßen die sauerstoffreiches Blut vom Herzen in alle Körperteile transportieren und den Venen, die sauerstoffarmes Blut zurück zur Lunge und zum Herzen transportieren, unterschieden werden. Weitläufig werden beide Gefäßsysteme des menschlichen Körpers gerne als „Adern“ miteinander vermengt. Arterien heißen etwas genauer „Schlagadern“. Als Gefäßchirurg im Krankenhaus beschäftigt man sich hauptsächlich mit den arteriellen Erkrankungen verursacht durch die Arteriosklerose, meist auch als „Gefäßverkalkung“ bezeichnet. Aber auch Einengungen der Halsschlagader, die das Schlaganfallrisiko erhöhen können, gehören zum operativen Schwerpunkt einer stationären Gefäßchirurgie. Bei Patientinnen und Patienten, die eine Nierenfunktionsstörung haben und einer Blutwäsche benötigen, dient ein gefäßchirurgisch angelegter Shunt dazu, die Lebensqualität zu heben, hier ist der Gefäßchirurg/die Gefäßchirurgin auch als sog. Dienstleister für den Patienten und den behandelnden Nierenspezialisten/- in, den Nephrologen, tätig.

Welche Erkrankungen/ Krankheiten entstehen direkt an den Arterien, den Schlagadern?

Vereinfacht gesagt erkranken Schlagadern auf drei Wegen: Sie werden entweder enger (Stenose), länger (Kinking) oder weiter (Aneurysma). Engstellen und Erweiterungen bedürfen ab einem gewissen Grade einer Behandlung, ein „gekinktes“, also längers Gefäß kaum.

Und wenn Gefäß- und Herzerkrankungen zunehmen  – was sind die Gründe und was kann man tun?

Herz- und Gefäßerkrankungen stehen leider in der Liste der häufigsten und tödlichen Erkrankungen immer noch ganz oben, noch vor Tumorerkrankungen. Die Arteriosklerose, also die „Gefäßverkalkung“ führt am Herzen zum Herzinfarkt, an den Hals- und Hirnschlagadern zum Schlaganfall und an der Körperperipherie, z.B. den Beinen zur sog. Schaufenstererkrankung. Während Herzinfarkt und Schlaganfall meist in der Bevölkerung gut bekannt sind, ist dies die Schaufenstererkrankung nicht. Durch Engstellen oder gar Verschlüssen der Blutgefäße an den Beinen kommt es beim Laufen zur Unterversorgung der Muskulatur mit sauerstoffreichem Blut. Die Menschen bleiben dann stehen, die Waden oder Oberschenkelmuskulatur erholt sich und der Mensch läuft weiter. Daher der Name „Schaufenstererkrankung“.

Manche Risikofaktoren sind nicht veränderlich, wie Alter und männliches Geschlecht. Weitere Risikofaktoren sind gut behandelbar, wie der Bluthochdruck, hohe Blutfettwerte und die Zuckererkrankung. Rauchen als einer der Hauptrisikofaktoren bleibt aber immer ein Problem, das lediglich der Patient unter hinzuziehen professioneller Raucherentwöhnungsprogramme selbst in die Hand nehmen kann. Rauchen ist eine Suchterkrankung. Als tätiger Chirurg kann man lediglich beraten und darauf hinweisen. Viele Krankenkassen bieten heute sehr gute Raucherentwöhnungsprogramme an.

Sie sehen, die gefäßmedizinische Therapie ist umfangreich und fachlich interdisziplinär. Unsere internistischen Kolleginnen und Kollegen unter der kardiologischen Leitung von Dr. Krüger helfen uns dabei.

Welche „aktuellen Erkrankungen“ werden (auch) in der „Klinik für Viszeral- und Gefäßchirurgie“ behandelt?

Schwerpunktmäßig behandeln wir operativ und minimal-invasiv Patientinnen und Patienten mit arteriellen Erkrankungen und der „Schaufenstererkrankung“. Dabei bieten wir die konventionellen operativen Bypassverfahren am Ober- und Unterschenkel an. Als Bypassmaterial bevorzugen wir wann immer möglich körpereigene Venen. Diese haben nach wie vor die günstigste Langzeitprognose. Ist dies nicht möglich verwenden wir künstliche Blutgefäße aus Dacron oder Teflon, beides Werkstoffe, die seit Jahrzehnten in der Gefäßchirurgie eingesetzt werden.

In den vergangenen zwei Jahrzehnten haben sich die minimal-invasiven, sog. endovaskulären Methoden enorm weiter entwickelt. Hierbei werden über eine Gefäßpunktion Gefäßstützen, sog. Stents eingesetzt, die die Durchblutung verbessern. Diese können in Narkose oder auch lokaler Betäubung erfolgen. Dies ist naturgemäß bei kritisch kranken Menschen zu bevorzugen, wir nennen diesen Weg „Endovascular First“. Im langfristigen Verlauf müssen diese Stents aber manchmal auch mehrfach platziert oder aufgedehnt werden, das ist ein kleiner Nachteil.

Ist die vielbeschworene Formel „Nicht Rauchen, wenig Alkohol, körperliche Betätigung = weniger dick“ immer noch eine (auch aktuell noch empfehlenswerte) wichtige „Uralt-Regel“?

Ja, ich muss da schmunzeln, denn unserer ärztlicher Beruf und die Lebenserfahrung lehren uns, dass wir als Menschen nicht perfekt sind. Ich selbst empfehle immer den Spruch:  „Die Dosis macht das Gift“. Ärztlich ist es mir am wichtigsten die Patientinnen und Patienten so anzunehmen wie sie sind. Sie können die vergangenen Jahrzehnte ja auch nicht zurückdrehen. Unsere Aufgabe ist es, den Menschen mit Gefäßerkrankung die für sie in dieser Lage am besten wirksamste Therapie zukommen zu lassen.

Wir danken für das Gespräch!

Foto: "Klinik für Viszeral- und Gefäßchirurgie"

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